Regensburg. Der Autokäufer der Zukunft braucht die „Power of Choice", die Macht der Wahl. Davon ist der Leiter des BMW Group Werks Regensburg Frank Bachmann überzeugt. Deshalb erfährt der 9000 Mitarbeiter zählende, gut 30 Jahre alte Standort seine „bislang größte Transformation". Künftig will BMW hier in einer Produktionslinie Verbrenner, Plug-In Hybride (PH) und voll elektrische Autos bauen. Dafür werden bis 2021 insgesamt 300 Millionen Euro investiert. Ab März läuft die Produktion der X1 und X2-Modelle als Plug In Hybride an. Klimaschutz sei eine Überzeugung des Herstellers, so Bachmann.

Der X1 lässt sich laut Bachmann bis zu 57 Kilometer rein elektrisch fahren, die Gesamtreichweite von 400 Kilometern entspreche auch den Anforderungen des Pendlers im ländlichen Raum. BMW sei stolz darauf, neun PH Modelle über alle Baureihen und Karosserievarianten hinweg anbieten zu können. Wie Projektleiter Uwe Seitz, der "Mr. Hybrid" bei BMW Regensburg, anschaulich erläuterte, kann der neue X1 so allerhand. Durch den Verbrennungsantrieb an der Vorderachse und den Elektromotor an der Hinterachse kann das Auto, auch dank des Batteriegewichts hinten, im adaptiven Allradantrieb auch bei extremer Steigung und amorphem Untergrund problemlos anfahren. Alle Komponenten seien dort verbaut, wo der Verbraucher nicht hinkommt, der Kofferraum bleibt voll erhalten. Alle Informationen zum X1 und X2 im Infokasten am Fuß dieses Artikels.

Erfolg durch Wandel

Die Botschaft von Werkleiter Bachmann ist eindeutig: Am Standort Regensburg soll weiter Erfolgsgeschichte geschrieben werden, und zwar durch Wandel statt durch „Weiter so". Nach den Ausnahmejahren 2016 und 2017, wo wegen der extremen Nachfrage eine zusätzliche Nachtschicht gefahren werden musste, hat sich das Werk über die Jahre 2018 (320.000 Autos) und 2019 (256.000) in Richtung des Korridors eingependelt, den die Regensburger Autobauer „Sweet Spot" nennen – eine Jahresproduktion zwischen 260.000 und 285.000 Fahrzeugen, ideal für den Betrieb des Werkes. Für heuer sind gut 270.000 Autos angepeilt.

Dabei wird rund um den August die Produktion fünf Wochen lang ruhen. „Wir haben daher heuer bereits am 2. Januar wieder angefangen, um jede Produktionszeit auszunutzen", so Bachmann. Gründe für die Pause sind, ebenso wie beim 4-Wochen-Break letztes Jahr, der Umbau und die Modernisierung der Anlagen. Heuer ist die größte Aufgabe, die Produktionshalle – größtenteils im laufenden Betrieb – um drei Meter aufzustocken. Das lässt sich nur mit Hilfe eines Mega-Krans (90 Meter Ausleger) erreichen, der mitten in die Halle platziert wurde und nun die Bauteile aufs Dach hebt.

Im Sommer wird dann die bestehende Decke entfernt und die neue elektrische Hebe-Bahn installiert. Mit ihr gelingt es, die zusätzliche Antriebsart „Plug In Hybrid" für die Mitarbeiter ergonomisch ideal in die bestehende Produktionsstraße zu integrieren. „Weil wir keine Glaskugel haben, wissen wir nicht, welche Antriebsart wie viele Kunden kaufen möchten", sagt Bachmann. Daher schied der Plan aus, alternativ für den Plug In Hybrid und die vollelektrischen Modelle eine eigene, zweite Produktionslinie zu bauen.


Einbau eines Hochvoltspeichers.

Flexibilität und Kompaktklasse

Die Zauberwörter der künftigen BMW-Politik in Regensburg heißen „Abtausch-Flexibilität" und „Kompaktklasse". Ersteres bedeutet, dass die Mitarbeiter in der Lage sein werden, direkt nacheinander Autos mit verschiedenen Antriebsarten am Band zu montieren – je nachdem, welches Modell gerade gefragt ist. Um diese Bandbreite an Antrieben seriös orchestrieren zu können, konzentriert sich der Standort auf die Premium-Kompaktklasse und verzichtet dafür auf weitere Karosserieformen. Bei der Unterschiedlichkeit der Antriebe ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, wurde beim Jahrespressegespräch am Freitag deutlich.

Autonomes Fahren, Plug In-Technik, Abgasnachbearbeitung: Die Herausforderungen der Zeit kosten Geld, das ein Hersteller heute nicht mehr einfach auf den Preis draufsatteln könne. „Das Werk Regensburg hilft BMW dabei, effizienter zu werden", sagt Bachmann. In diese Richtung geht eine der Investitionen, die bereits letztes Jahr während der Produktionspause Gestalt annahm: eine hochmoderne Lackiererei, die bislang 60 Millionen Euro kostete. Sie schafft es, durch effiziente Technik pro Jahr den jährlichen Strombedarf einer Kleinstadt wie Schwandorf einzusparen – gut für die Umwelt und gut für die Bilanz. Klimaschutz erfordere Maßnahmen sowohl bei der Produktion als auch bei den Produkten, so der Werkleiter.

BMW als Konzern sei wegen der Anforderungen der neuen Zeit auch auf die Mitarbeiter zugegangen, und zwar „in fairen, konstruktiven Verhandlungen", wie Bachmann betont. Es sei dabei lediglich um die Erfolgsbeteiligungen gegangen. „Wir haben nichts gemacht, wo wir auch nur in die Nähe des Tarifes kommen", so der Werkleiter. Im Übrigen sei er stolz auf seine Mannschaft in Regensburg, deren Engagement unverzichtbar für den Erfolg der Transformation hin zu größtmöglicher Flexibilität sei. Den Stand von 9000 Mitarbeitern werde man halten, wenn es, je nach Auslastungslage, auch sein könne, dass Mitarbeiter für bestimmte Phasen auch in anderen Werken eingesetzt werden.

Beim Umbau zolle das Werk auch der demographischen Entwicklung der eigenen Belegschaft Tribut. Die Ergonomie der Arbeitsplätze werde verbessert, Stichwort Höhenverstellbarkeit. Jeder Mitarbeiter werde pro Jahr einen Tag lang von seiner Arbeit frei gestellt und intensiv in den neuen Themen geschult. Im InnoLab passt BMW die Ausbildungs-Berufsbilder den Autos von morgen an.


Der Mega-Kran mit dem 90-m-Ausleger "wächst" aus dem Hallendach empor.