Der Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in Amerika versetzt weite Teile der v.a. westlichen Welt in Schrecken. Hauptsächlich wegen der Unberechenbarkeit und des absoluten Fehlens von Scheuklappen jedweder Art, die diesen Mann kennzeichnen. Diese "Freiheit" von allen Konventionen ist es, die das amerikanische Volk dazu beflügelt hat, ihn zu wählen. Wer diesen Schuss in Berlin und Brüssel immer noch nicht gehört hat, der wird erleben müssen, dass nach Rock´n´Roll, Fast Food und Star Wars auch diese Welle über den großen Teich schwappen wird. Dass es nämlich künftig reichen wird, einen hölzernen Fuck-Finger, der Richtung Kanzleramt und EU-Parlament zeigt, aufzustellen, um gegen das Establishment zu gewinnen. Echte Kandidaten mit echten Argumenten braucht es dazu nicht mehr.

Die klare Botschaft in den USA lautet: Ihr in Washington habt uns lange genug hingehalten. Allen Sonntagsreden, Wahlprogrammen und Versprechen zum Trotz ist die breite Mittelschicht immer stärker zu einer Unterschicht Deluxe verkommen - abgehängt vom relativen Wohlstand, den die Volkswirtschaft erzielt, millionenfach zu System-Robotern degradiert oder gleich ausgemustert.

Viele Beobachter hatten es nicht glauben können, dass die Amerikaner ausgerechnet eine der dicksten Heuschrecken dazu ausersehen würden, die Heuschreckenplage zu beenden, die ihnen den jederzeit möglichen Wohlstand vor der Nase wegfrisst. Nicht einmal die Tatsache, dass es gerade die Republikaner mit ihrer Parlamentsmehrheit waren, die Barack Obamas Wohltaten für die unterprivilegierte Bevölkerung aufgehalten und zerschossen haben, mochte die Amerikaner davon abhalten, Trump zu wählen und ihn mit einer komfortablen Mehrheit in beiden Häusern auszustatten. Nicht einmal die Ungeheuerlichkeit, dass Trump von seinen Milliardengewinnen keine Steuern abführt, konnte ihn den mittleren und ärmeren Schichten madig machen.

Es ging nicht um das bessere Konzept, um Rente, Krankenversicherung oder Jobs. Es ging um den besagten ausgetreckten Mittelfinger, den Trumps Wähler den verfilzten Sippen der Macht - gleich welchen Lagers - zeigen wollten. Sie haben es getan. Mit heute unabsehbaren Folgen für ihr Land, aber auch für die mindestens  halbe Welt.

In Berlin hat gleichzeitig die "Große" Koalition die Rentendebatte - sie kommt ohnehin leidlich spät - einmal mehr vertagt. Ein Systemwechsel, der effizient vor Altersarmut schützt, alle Teile der Gesellschaft in Solidarität vereint und Lebensleistung angemessen würdigt, ist von dieser Bundesregierung ohnehin nicht zu erwarten.

Der Rechnungshof wirft außerdem der "GroKo" vor, zu viele Aufträge und damit zuviel Geld an immer dieselben sechs Beraterfirmen zu vergeben - das riecht erstens nach Günstlingswirtschaft, zweitens nach Beeinflussung der Politik durch Lobbyismus. Ein strenger Geruch geht auch von der Tatsache aus, dass die Bundesregierung trotz massivem Drucks aus der EU vier Jahre lang nichts gegen die Überdüngung unserer Böden und damit die Nitratbelastung des Grundwassers getan hat - zum Segen der Agrar-Lobby.

Die Menschen in Europa, auch in Deutschland, haben das Gefühl der wirtschaftlichen Sicherheit während der Kanzlerschaften Schröder und Merkel weitgehend verloren. Die Gesellschaft bricht seit den Jubel erfüllten Tagen der Wiedervereinigung in erschütterndem Ausmaß auseinander. Existenzangst und Egoismus wachsen Hand in Hand. Längst ist die allgemeine Hoffnung verflogen, durch Wahlen wirklich etwas bewegen zu können. Rechts und links der Mitte sprießen daher die Lager der Unzufriedenen. In Europa sind fast überall dieselben Entwicklungen zu finden. Sündenbock-Politik feiert fröhliche Urständ. Österreich könnte demnächst einen FPÖ-Präsidenten bekommen, in Bayern zittert die mächtige CSU vor einer in der Realität bislang hier eher theoretisch vorhandenen AfD.

Die Lösung liegt aber nicht darin, die Populisten mit platten Parolen und simplifizierten Lösungsansätzen in der Sündenbock-Politik außen überholen zu wollen. Die Lösung läge darin, das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Dazu ist es erstens notwendig, hinterher das zu tun, was man vorher angekündigt und versprochen hat. Zweitens hat sich der Staat in erster Linie um seine Bürger zu kümmern. Denen muss es möglich sein, sich zu bilden, zu arbeiten, etwas zu leisten und von der Leistung zu profitieren. Abgesichert für den Krankheitsfall, für Arbeitslosigkeit, Alter und Pflegebedürftigkeit. Ein Staat, der seinen Bürgern diesen an sich selbstverständlichen Rahmen steckt, liefe nie Gefahr, einem Trump, Strache oder einer Frau le Pen in die Hände zu fallen. Wenn aber jahrzehntelang nur Politik zugunsten verschiedenster Interessenslager aus Wirtschaft und Industrieb betrieben wird, merkt das der Wähler - und reagiert irgendwann. "Das Volk" in seinen Mehrheiten ist an sich zwar geduldig. Am Ende seiner Geduld aber - wie in den USA wieder zu sehen - sehr radikal. Daran hat sich in den letzten 80 Jahren leider nicht viel geändert.