Kessel löst Kellerbrand aus

Wenn zum Start eines Projektes gleich drei Förderbescheide über jeweils 540.000 Euro über den Tresen gehen, dann fängt dieses Projekt nicht bei Null an. Und so ist es ja auch bei der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit im grenznahen Raum: Die Leute, die hier leben und entscheiden, haben in den letzten 25 Jahren fleißig vorgearbeitet. Die Initiative von Heimatminister Dr. Markus Söder und seiner tschechischen Amtskollegin Karla Šlechtová, in dieser Region das kulturelle und wirtschaftliche Netzwerk auszubauen und zu verstärken, hat einen entscheidenden Geburts-Vorteil: Sie nimmt das bisher Erreichte in sich auf, statt das Rad neu erfinden zu wollen.

Entsprechend überschwänglich fiel das Lob der Bezirkstagspräsidenten aus der Oberpfalz und Niederbayern sowie der die Oberbürgermeisterin von Marktredwitz,  Dr. Birgit Seelbinder, beim Vorstellungstermin am Montag in Weiden aus. Das "Entwicklungsgutachten für den Zukunftsraum Bayern - Tschechien" kommt gut an. Regierungspräsidenten, Landräte, Oberbürgermeister, Abgeordnete, die Kammern, die Gewerkschaften, Vereine und eben grenzübergreifende Initiativen: Der Gustav-von-Schlör-Saal der Max-Reger-Halle war rappelvoll, auch die tschechische Ministerin  (sie sprach zur allgemeinen Erleichterung hervorragend deutsch) hatte eine große Entourage dabei. Minister Söder erklärte eingangs, ihm sei von Ministerpräsident Horst Seehofer mit dem Heimatressort der Auftrag zugeteilt worden "das Land voran zu bringen". Dazu gehört aus Söders Sicht, den ländlichen Raum von innen heraus zu unterstützen - die Kraft der jeweiligen Region aktivieren, nennt er das. Denn: Wenn alles in München entschieden werde, fehle dabei die richtige Perspektive. Unterstützung erhalte er dabei von Staatssekretär Albert Füracker, "nebenbei" Oberpfälzer CSU-Vorsitzender.

Der ländliche Raum berge laut Söder die kulturelle Seele Bayerns, bloß wirtschaftlich müsse er gefördert werden, um eine Angleichung der Lebensverhältnisse mit den boomenden Ballungszentren zu ermöglichen. Die Lage an der Grenze sei für das östliche Bayern kein historischer Nachteil. In der Vergangenheit - "lange, bevor das auch in München passiert ist" - habe die Region durch Handel und kulturellen Austausch hüben wie drüben geblüht, ehe der Eiserne Vorhang dem ein jähes Ende machte. Heute sei die Lage kompliziert: Die Bayern haben mit Thüringen im Norden einen Nachbarn, der Höchstfördergebiet ist, derweil auf tschechischer Seite eine völlig andere Lohnstruktur herrscht.

Die grenzübergreifende Initiative betreffe immerhin den Lebensraum von fünf Millionen Menschen, so Söder. Er konnte sich den Seitenhieb Richtung Bund nicht verkneifen, wonach gerade bei Zuwanderung und Flüchtlingsfrage sich "Bayern und die tschechische Republik in ihren Ansichten näher" sei als Bayern und - unausgesprochen - Berlin. Bei der Vorbereitung des Programms habe sich auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft konstruktiv eingebracht, lobte der Minister.

2014 begannen die Vorbereitungen. Zunächst mit der Feststellung, dass viele bereits bestehende Initiativen mit in das Programm aufgenommen werden sollten. Bei der Analyse, was sich verbessern ließe, kristallisierten sich in dem Entwicklungsgutachten mehrere Schwerpunkte heraus.

Verkehr/Infrastruktur: Der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Bahn über Schirnding/Furth sei natürlich wesentlich, so Söder. Es gelte auch, den öffentlichen Personennahverkehr miteinander zu verzahnen. Auch beim Thema Mobilfunk gibt es Nachholbedarf.

Wirtschaftsstruktur: Söder empfahl der tschechischen Seite, nach bayerischem Vorbild Behörden in den strukturschwachen Grenzraum zu verlagern, dies könne Impulse setzen. Die Wirtschaft solle sich im Allgemeinen vernetzen. Gewerbegebiete könnten zusammen vermarktet werden  als Teil eines gemeinsamen Regionalmarketings.

Bildung: Die 19 bayerischen und sieben tschechischen Hochschulen sollten sich verzahnen. Als Wunsch für die Zukunft äußerte Söder, dass es einmal eine bayerisch-tscheschiche Universität geben möge - das sei zwar Zukunftsmusik, "aber wir denken ja über das Jahr 2018 hinaus, ich in jedem Fall", spielte Söder launig auf die ihm nachgesagten Karrierepläne an. Erster Schritt sei aber, die gegenseitige Fremdsprachen-Kompetenz zu erhöhen.

Tourismus: Durch gemeinsames Werben und konzeptionelle Zusammenarbeit solle erreicht werden, dass jeder, der die Reise von hier nach da tut, einen Ansporn verspürt, mal auf dieser, mal auf jener Seite Stopp zu machen und das umfangreiche kulturelle, kulinarische und touristische Angebot zu genießen.

Ein neues Regionalforum wird sich künftig einmal pro Jahr treffen und den Fortschritt der grenzübergeifenden Initiative prüfen. Beratungsbüros in Marktredwitz, Cham und Regen sollen, zugeschnitten auf die jeweilige Region, helfen, für Projekte EU-Gelder "abzugreifen". Die Entscheidung dazu solle jeweils in den Regionen bleiben.

"Sie sehen, es gibt nicht die eine, sondern viele, viele kleine Lösungen", so Söder. 20 bereits laufende Einzelprojekte sollen zusätzlich staatlich gefördert werden, schloss er.

Ministerin Karla Šlechtová sagte, die Grenzregion habe in den letzten 25 Jahren gelernt, zusammenzuarbeiten. Beiderseits gebe es ähnliche Herausforderungen, wie etwa die Abwanderung der Jugend in die Städte. Das Gutachten zur Intensivierung der Zusammenarbeit lobte sie, da es konkrete Projekte benenne und regionale Akteure aktiviere. Die Erfahrung aus dieser Vorbereitungszeit stimme sie ebenso zuversichtlich wie das gegenseitige Vertrauen. "Wir unterstützen die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten", so Karla Šlechtová.

Für das gemeinsame Sekretariat für Kultur und Tourismus in Regen geht es am 1. April los, zunächst befristet bis Ende 2018.

Anschließend erhielten die Bezirkstagspräsidenten die eingangs erwähnten Förderbescheide für ihre Beratungszentren. Der Vertreter der Oberpfalz, zugleich Chamer Landrat, Franz Löffler, erinnerte launig daran, dass er zunächst nicht überzeugt gewesen sei von der Initiative. "Geh, nicht noch mehr Gutachten", habe er Söder damals entgegnet. Nun, da  bei dieser Initiative die bestehenden Strukturen und Projekte berücksichtigt und eingearbeitet worden seien und konkrete Umsetzungsschritte gefördert werden, habe er seine Meinung komplett geändert. Er verwies auf viele mittelständische Firmen in der Region, die Innovatives leisten, sich aber kein Personal leisten könnten, um Förderanträge zu bearbeiten oder die Zusammenarbeit mit Hochschulen zu organisieren. Hier sieht er Ansatzpunkte für die neue Initiative.

Löfflers niederbayerischer Kollege Dr. Olaf Heinrich erhielt die Förderung für die Beratungszentren in Freihung. "Vor ein paar Jahren gab es schon mal ein Gutachten, nämlich das des Zukunftsrates, das ist Gottseidank nicht umgesetzt worden", sagte er. Damals hatte das umstrittene Gremium der Staatsregierung geraten, bayerische Großstädte nach Münchener Vorbild zu Leuchttürmen auszubauen und den ländlichen Raum, salopp gesagt, versauern zu lassen. Das nun vorliegende Gutachten aber, so Dr. Heinrich, sei "von der Art, wie wir uns das gewünscht haben".

 

 

 

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