Mit Fleiß den American Dream verwirklicht, die Heimat nie vergessen: Zum 90. Geburtstag von Hans Fischer

Bodenwöhr. Auch durch das Bodenwöhrer Hüttenwerk, zwischen Hitze, Rauch und Gestank, waberte immer wieder der "American dream", und mehr als ein Auswanderer vom Hammersee hat im 19. und 20. Jahrhundert in den USA als willkommener Spezialist sein Glück gemacht. Einer davon, Hans Fischer, hat den Draht zu seiner alten Heimat nie verloren und feiert am 30. Mai 2020 seinen 90. Geburtstag. Bodenwöhrs ehemaliger Bürgermeister Richard Stabl hat aus diesem Anlass das Leben seines Sangesbruders (Männergesangverein Glück Auf 1879) recherchiert und gemeinsam mit ihm einen Bericht über neun spannende Dekaden verfasst. Zu Wort kommt zunächst Hans Fischer selbst.
„Wanderungsbewegungen hat es immer gegeben, motiviert durch Bedrohungen wie Hungersnöte, Kriege, Naturkatastrophen, aber auch durch die Hoffnung auf eine bessere wirtschaftliche Situation." (Wikipedia) So auch nach 1945, als sich viele Deutsche in die USA aufmachten, um dort ein neues, ein anderes, freieres, neu gestaltetes Leben und eine Existenz aufzubauen.

Da musste ich viele Fragen beantworten

„Der 13. 11. 1953 war mein letzter Arbeitstag in Deutschland. Meine Reise nach Amerika begann also im November 1953, als ich mit dem Zug von Bodenwöhr nach Paris fuhr. Nach zwei Tagen Aufenthalt in Paris ging es weiter zum Hafen von Le Havre. Am 1. 12. 1953 begann ich meine Reise nach New York auf dem französischen Schiff „Liberty". Da wir im Dezember reisten, war die Fahrt auf dem Meer sehr stürmisch; so wurde ich seekrank und konnte fast nichts essen. Nach 11 Tagen war ich froh, wieder auf festem Boden zu stehen, und zwar in New York. Dort musste ich viele Fragen (der US-Einreisebehörde der USA) beantworten, und mein Gepäck wurde durchsucht.

Ankommen in Milwaukee

Von da ging es weiter zum Hauptbahnhof New York. Das Reisebüro sorgte dafür, dass ich in den richtigen Zug nach Chicago einstieg. Mein Englisch war damals nicht gut, ich konnte nur einige Wörter. Es dauerte zwei Tage, um nach Chicago zu kommen. Da merkte ich erst, wie groß Amerika ist. Dort angekommen, wartete ein Mann vom Reisebüro auf mich, um mir beim Umsteigen in den Zug zu meinem Endziel zu helfen. Am 13. Dezember 1953 erreichte ich endlich Milwaukee.

Ein Stundenlohn von 95 Cent ($)

Dort wurde ich von meinem Onkel, Hans Dobmeier, und seiner Frau mit Freuden aufgenommen. Am folgenden Montag machte ich mich auf die Socken zur Arbeitsuche. In Milwaukee gab es zu dieser Zeit Tausende von Werkstätten, aber nicht genug Fachkräfte, vor allem da Amerika mitten in einem Krieg mit Korea stand und viele Männer als Soldaten dienten. 

Daher wurde ich sofort als Dreher eingestellt, mit einem Stundenlohn von 95 Cent. Ein Mann, der Deutsch sprach, erklärte mir, was ich zu tun hatte. Die Umstellung war nicht leicht, denn die Maße waren in Yards und Inches, und auch die Zeichnungen wurden von links nach rechts gelesen. Da gab es nur einen Weg für mich - sofort zur Abendschule. Dort verbrachte ich viele Abende, aber von Monat zu Monat ging es aufwärts."

Der Männergesangverein im Jahr 1949 mit dem jungen Hans Fischer.

Bodenwöhr, mein Heimatort
Begonnen hat die Lebensgeschichte mit der Geburt und Kinderzeit in Bodenwöhr, wo Hans Fischer die Grund- und die Volkshauptschule besuchte. Damals war es für einen Bodenwöhrer Jungen üblich, einen Metallberuf im Hüttenwerk Bodenwöhr zu erlernen. Das stand auch im Fokus von Stift Fischer, wie man die Lehrbuben damals noch bezeichnete, der von 1944 bis 1948 Schlosser lernte. 


Dabei meinte sein Lehrmeister, Herr Köller, der spätere Bürgermeister der Gemeinde Bodenwöhr, dass es sein Ziel sei, ihn zu einem hervorragenden Dreher auszubilden, was ihm auch gelang. Der „Lehrbua" machte ihm bei der Gesellenprüfung mit der Note „sehr gut" alle Ehre. Die Freude über seine tollen Noten und seine Anstellung im Hüttenwerk Bodenwöhr wurden allerdings schon nach knapp zwei Jahren getrübt, er wurde wegen Arbeitsmangels entlassen. 


Das hinderte ihn aber nicht daran, nach Arbeit zu suchen. Er fand im Frühjahr 1950 eine neue berufliche Herausforderung bei der Traktorenfabrik der Gebrüder Eicher in Forstern, Oberbayern. Gleichzeitig bemühte sich er sich um eine Einreise in die USA. Nach ein paar Monaten konnte auch sein Musikerfreund Josef Vielberth, „Sepp war ein hervorragender Klarinetten- und Saxophonspieler", im Traktorenwerk arbeiten. Doch schon im November 1953 endete die gemeinsame Arbeits- und Musikgemeinschaft der beiden. Hans bekam die Zusage zur Einreise in die USA und reiste Anfang Dezember ab.



Lernen auf allen Ebenen

Die Einreise in die USA vereinfacht hatte sein Onkel, Hans Dobmeier, der bereits 1928 in die USA ausgewandert war, mit einer Bürgschaft. Der Plan nach einem Jahr der Erfahrung und des Englisch-Lernens war, wieder nach Deutschland zurückzukommen, um dann die Meisterprüfung in seinem Handwerk zu absolvieren. Dazu kam es aber nicht mehr.
Nach der Einreise in die USA gab es sehr, sehr viel Neues zu erlernen: die Sprache, die Gepflogenheiten, natürlich auch der Umstieg vom europäischen, metrischen Messsystem in das angloamerkanische System der Meilen, Yards und Inches. Dazu noch das Problem, Pläne - anders als in Deutschland - in umgekehrter Reihenfolge lesen und auch zeichnen zu müssen.


Mein erstes Auto – Der Weg in die Selbständigkeit
Ganz stolz ist er darauf, dass es ihm nach mehreren Monaten Verdienst (der Stundenlohn war auf zwei Dollar angestiegen), schon geglückt war, seine Schiffspassage, die sein Onkel finanziert hatte, wieder zurückzubezahlen und sich bereits 1954 ein schönes tolles neues Auto zu kaufen, einen Oldsmobile, Baujahr 1949 von General Motors. Nun endlich hatte er die Zeit, „alle damaligen deutschen Parks, die damals entstanden sind, zu besuchen" und es wurde auch aus seiner Sicht höchste Eisenbahn, sich von seinem Onkel zu lösen und ein eigenes Heim zu errichten, was er dann auch tat. 


Natürlich braucht Mann für den Nestbau eine Partnerin; der begegnete er am 4. Juli 1955; der 4. Juli ist in den USA der Nationalfeiertag, Independence Day genannt. Anne aus Eichendorf in Niederbayern war zu diesem Zeitpunkt erst sechs Monate in den USA: „Schon am ersten Tag verliebte ich mich in sie". Sie hatte aus seiner Sicht „dieselben Welt- und Lebensanschauungen" und auch die Motivation, hier in den USA zu bleiben. Zu Weihnachten 1955 feierten dann beide Verlobung, im Frühjahr darauf war die Hochzeit geplant. 


Die US-Army stoppt Heiratspläne
Doch es kam anders: Denn er wurde als Wehrdienstleistender, obwohl noch deutscher Staatsbürger, zum Wehrdienst in den USA verpflichtet und zur US-Army eingezogen. Im Februar 1956 ging es zur Grundausbildung nach Fort Leonhard Wood in Missouri, anschließend nach Colorado Springs in den Bergen. Dann war es endlich soweit: Im Juli 1956 konnte er seine Anne in Milwaukee heiraten. 


In der Army folgten schnelle Standortwechsel, so musste er u. a. mit der achten Armee von Colorado zurück nach Deutschland, und zwar von New York über Bremerhaven nach Ulm. Dort war er als Übersetzer für die US-Army tätig und mitverantwortlich für die Schadensregulierung von Flurschäden der US-Streitkräfte; Wochen später holte er seine Frau Anne nach Neu-Ulm in eine eigene Wohnung, während er dort seinen Dienst verrichtete, was beide zu Besuchen bei ihren Familien in Bayern nutzten.
Im November 1956 dann die nächste Überraschung: Er wurde in die USA zurückbeordert, da es zwischenzeitlich einen Erlass der US-Regierung gab, dass verheiratete Wehrpflichtige zurück in die US-Heimat durften. Der direkte Militärdienst war damit beendet. Allerdings musste er dann sechs Jahre lang als Reservist der US-Nationalgarde vierzehntägige Wehrübungen absolvieren, wie er schreibt, zu seinem Missvergnügen, denn für Arbeitnehmer gab es damals nur 14 Tage Urlaub, und diese verbrachte er bei der Nationalgarde: „das waren damals sechs Jahre meine Urlaube". 


Der Start in ein erfolgreiches Berufsleben
Nach dem Abstecher zum Militär konnte er wieder seine Tätigkeit bei seinem alten Arbeitgeber beginnen, eine Basis, um sich zusammen mit seiner Frau in Milwaukee, Bundestaat Wisconsin, niederlassen. Mit viel Elan und Ehrgeiz, aber auch durch zielgerichtete Fortbildungen, viel Fleiß und Innovationsfreude wurde aus dem Vorarbeiter später der Werksleiter im Spezialmaschinenbaubetrieb. 


Die Familie entsteht
Familiär war dem Ehepaar das Glück hold mit der Geburt der Tochter Christina im Jahre 1960 und 1965 mit der Tochter Margret, im Januar 1967 erblickte Sohn John das Licht der Welt. Aufgrund des Familienzuwachses zog die Familie dann nach Wauwatosa, einen Vorort der Großstadt Milwaukee. „Ohne meine Frau hätte ich die von mir gesetzten Ziele nie erreicht, und sie war und ist auch heute noch, wie immer, der Ansporn zu allem Guten."


Vom leitenden Mitarbeiter zum Unternehmer
Wegen seiner Innovationskraft, seiner Risikobereitschaft, aber auch aufgrund des Respekts, den er sich erworben hatte, und sein Vorausdenken konnte er dann im Jahre 1976 als Mitgeschäftsführer Teilhaber der Firma Trace-A-Matic werden.
Mit der fortschreitenden Entwicklung im Maschinenbau, der Einführung von automatisierten Maschinen und mit computergesteuerten Technologien und Prozessoptimierungen etablierte er zusammen mit seinen Partnern eine florierende Maschinenbaufirma am amerikanischen Markt, die heute insgesamt acht Unternehmensbereiche mit fünf Niederlassungen und zwei Hauptsitzen in Brookfield, Wisconsin und Houston, Texas, umfasst: Mit Produktionsbereichen aus der Luftfahrt, Militärtechnik, Nahrungsmittelproduktion, Schwermaschinenbau, Medizin, Öl- und Gasindustrie, Energieerzeugung und Transportwesen. 


Bei all den Herausforderungen im privaten wie im geschäftlichen Leben „hatte ich keine Angst; mein Gedanke war immer – mit Gottes Hilfe geht alles."



Rechtzeitig die Nachfolge klären
Anfang bis Mitte der neunziger Jahre machte er sich mit seinen Geschäftspartnern über die Nachfolge in der Firma Gedanken, und sie kamen überein, dass ihre Söhne, jeweils nach einer Einarbeitungszeit, die Leitung der Firma übernehmen sollten. Im Jahre 1997 erfolgte dann Zug um Zug die Stabübergabe der Geschäftsführung an die jüngere Generation.



Golf ist mein Lieblingssport

Nach der Geschäftsübergabe an seinen Sohn widmete er sich viel dem Reisen, und neben dem Singen besonders dem Golfen. Zusammen mit seiner Frau genoss er anfangs die Winterquartiere in Palm Springs in Kalifornien, später in der Stadt Alamo, Texas, und zuletzt in Fort Myers in Florida. Jetzt frönt er seinem Lieblingssport nur noch im Sommer, wo er zweimal in der Woche die Schläger schwingt.


„Das war wirklich eine meiner schönsten Zeiten in meinem Leben."
Die Musik aber, sie hat ihn sein ganzes Leben begleitet, sie ist seine wahre Liebe, sie lässt ihn nicht los, sie macht immer noch Spaß! Angefangen hat es 1948 im Männergesangverein Bodenwöhr unter der Leitung des damaligen Volksschullehrers Hörmann und später unter dem Direktor und Chorleiter Füßl. Ein musikalischer Höhepunkt, den er als Jugendlicher erlebt hat, war 1950 der Faschingsball des MGV, als er mit seiner Vier-Mann-Kapelle im Jacob-Saal zum Tanze spielen durfte, verstärkt durch seinen Freund und Trompetenspieler Josef Vielberth aus Regensburg. 


Dieser Auftritt war für ihn ein großer Erfolg. Aber nicht nur beim MGV, sondern auch bei den Traktorenwerken Eicher ist er in die Annalen eingegangen: Denn er und Sepp Vielberth, der ein hervorragender Klarinetten- und Saxophonspieler war, waren wichtige Führungsfiguren bei der siebenköpfigen Eicher-Diesel-Kapelle. „Wir hatten viel Spaß und Freude dabei und waren bald in allen Ecken Oberbayerns bekannt. Das war wirklich eine meiner schönsten Zeiten in meinem Leben."


Die Liebe zur Musik und zum Chorgesang
Sein Onkel Hans Dobmeier, auch Mitglied des MGV Bodenwöhr, brachte ihn an seinem Wohnort zum „Schwaben Männerchor", einem harmonischen, starken Chor mit 68 Sängern. Jeden Donnerstag freute er sich auf die Singstunde: „Ich fand dort die deutsche Gemütlichkeit, die dort auch jetzt noch vorhanden ist." 


Trotz des bewegten Lebens besuchte er immer wieder seinen Heimatort Bodenwöhr und natürlich auch den Männergesangverein Bodenwöhr, zuletzt 1981, 2007 und 2009. Diese Zusammenkunft im Jahr 1981, damals noch mit seinem Onkel Hans Dobmeier, ist als eine der längsten Singstunden in die Annalen des Vereins eingegangen. Die Sängerrunde erlebte vergnügliche Stunden, damals noch beim Schießl, mit Heimatliedern, vielen Geschichten rund um das Singen oder Sängerfeste sowie pikanten Erzählungen aus der Geschichte des Männergesangvereins. 


Als Hans Dobmeier, fast 100-jährig, 2005 starb, waren wir Sänger sehr betroffen. Hans Fischer wurde mehrfach für seine jahrzehntelange Mitgliedschaft geehrt und er zeigt immer noch ein reges Interesse an den vielfältigen Aktivitäten des MGV, den er als Förderer auch unterstützt. Er war danach wiederholt Gast beim Männergesangverein. Bei seinem Besuch im Juni 2007 bei einer außergewöhnlichen Singstunde beim damaligen 2. Vorstand Richard Stabl ließ er es sich es nicht nehmen, mitzusingen. Für uns, die Sänger des Männergesangsvereins ein schöner Höhepunkt und auch ein Zeichen der Wertschätzung durch Mitglieder, die, auch wenn sie in der weiten Welt beheimatet sind, Bodenwöhr im Herzen tragen.


Der MGV gratuliert mit einem Blumenstrauß voller Erinnerungen


Auch die sehr gute Konstitution fiel MGV-Vorstand Christian Lutter 2009 auf, als Hans Fischer, fast 80-jährig an der Kreuzbergwallfahrt von Bodenwöhr nach Schwandorf teilnahm. Auf die Frage von Lutter, wie es ihm ergangen sei, sagte er: „Kein Problem, lieber Christian". 


Da wegen der Corona-Pandemie ein direkter persönlicher Austausch nicht erfolgen kann, ist es dem Männergesangverein Bodenwöhr unter Vorsitz von Christian Lutter und Chorleiter Bernhard Schmidhuber eine Freude, seinem langjährigen Vereinsmitglied Hans Fischer die Ehre zu erweisen, ihm einen Blumenstrauß voller Erinnerungen mit Liedern und Bildern in seine amerikanische Heimat zu senden. 


Lieber Hans Fischer,

herzlichen Glückwunsch und eine gute Gesundheit wünschen Dir die Sangesbrüder des Männergesangvereines Bodenwöhr.



Glück Auf!

1981: Gesellige Runde beim Besuch der "Amerikaner". Eine der längsten Singstunden überhaupt.

Singstunde 2007 beim damaligen 2. Vorsitzenden und späteren Bürgermeister Richard Stabl (2.v.l., hinten). Fischer (r.) sang kräftig mit.
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