Radel-Rentner unterwegs nach Amsterdam

Waren es in den vergangenen zwei Jahren die europäischen Metropolen Paris und Rom, so machten sich die beiden „Radl-Rentner“ Jürgen Schossig aus Amberg und Werner Döllinger aus Regenstauf in diesem Jahr „per Pedalo“ auf den Weg nach Amsterdam.

 

Aus ihrem Tourentagebuch berichten die beiden Freizeitradler dem Ostbayern-Kurier von den Begebenheiten auf ihrer elftägigen Fahrt.

 

Montag, 16. Mai, 8:00 Uhr

 

Bei kühlem Wetter Abfahrt in der Pfannmüllerstraße in Amberg. Schon nach wenigen Kilometern mussten wir uns wegen eines Wolkenbruchs in Haid bei Weigendorf unterstellen und die Regenkleidung anziehen. Während der Weiterfahrt nach Lauf mussten wir noch einige Male Schutz suchen, da es wie aus Kübeln schüttete. In Lauf machten wir zunächst eine Kaffee-Pause, welche in eine „Trocknungsaktion“ aus-

artete. Wir belegten sämtliche Heizkörper mit unseren Klamotten, was natürlich nichts

brachte, denn es regnete weiter in Strömen...

 

Schon in Nürnberg waren wir wieder bis auf die Haut durchnässt. Zu diesem Übel konnten wir auf unserem Weg nach Fürth erst nach längerer Suche den Zenntal-Radweg finden – aber dann ging es ohne Pause zu unserem Nachtquartier. 18:30 Uhr einchecken im Hotel Rangau in Langenzenn. Tagesetappe 100 km. Übrigens... die Heizkörper im Hotel funktionierten einwandfrei, am nächsten Morgen durften wir uns über getrocknete Kleidung freuen!

 

Dienstag, 17. Mai, 8:30 Uhr

 

Nach dem Frühstück ging es weiter – hurra, es regnete nicht mehr – auf den zweiten

Tagesabschnitt, der bis Ochsenfurt geplant war. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man(n) denkt! Wir ließen es langsam angehen – wir waren ja schließlich auf einer Spaß-Radltour und nicht auf der Flucht. So gönnten wir uns eine Kaffee-Pause in Bad Windsheim.

 

Gut gestärkt ging es auf die Weiterfahrt nach Uffenheim. Tja... und mit weiter fahren von dort war dann zunächst nichts, weil  Döllingers Fahrrad – böse Zungen behaupten, das Fahrrad wäre im gleichen Alter wie sein Besitzer – mit Speichenbruch zum „Fahrraddoktor“ musste.

 

Ein freundliches Mädchen, das wir nach einem Fahrradhändler fragten, zeigte uns den Weg dorthin. Leider war das Geschäft um 14:30 Uhr noch nicht besetzt, sondern öffnete

er um 16:30 Uhr seine Pforten! Das Mädchen machte uns aber darauf aufmerksam, dass es noch einen zweiten Fahrradhändler im Ort gäbe und wir uns sofort auf den Weg dorthin. Gottseidank geöffnet, *Beckerfaust - welche aber total fehl am Platze war, den als wir im Laden nach einem Mechaniker fragten, wurden wir informiert, dass dieser um 17:00 Uhr, gleich nach seinem Eintreffen, sich um die Reparatur kümmern würde!!!

 

Also mussten wir bis dahin abermals eine Kaffee-Pause einlegen! Endlich, um 17:30 Uhr, war das Fahrrad wieder verkehrstüchtig und wir konnten in die Pedale treten.

Allerdings forderte der übermäßige Kaffeegenuss häufige „Pinkelpausen“, sodass wir nach einer Tagesetappe von nur 68,5 km gegen 19.00 Uhr schließlich im Landgasthof „Zum Rappen“ in Oberickelsheim abstiegen (im wahrsten Sinne des Wortes)!

 

Mittwoch, 18. Mai, 8:15 Uhr

 

Nach ausgiebigem Frühstück machten wir uns nun endlich auf den Weg nach Ochsenfurt.

Von dort aus ging es weiter auf dem Radweg den Main entlang nach Würzburg. Dort auf der schönen „Alten Mainbrücke“ Mittagspause mit „4 im Weckla“. Mit vollem Bauch konnten wir dann wenig später die Hellstadter Steige Richtung Wertheim zunächst nur schiebend bewältigen.

 

Kurz vor Urphar war dann die Straße für Fahrräder gesperrt. Ein Schild verwies auf einen Radweg über einen Anstieg, auf dessen „Anhöhe“ auch das Wertheim-Village liegt.

Einer von uns Tourenfahrern - den Namen wollen wir hier nicht preisgeben - hatte wohl die Hellstadter Steige noch nicht verdaut und ignorierte die Hinweistafel und vor auf „verbotenen“ Wegen weiter.

 

Jürgen Schossig radelte vorsichtsmäßig auf dem ausgewiesenem Radweg den Hügel hinauf! Döllinger, der „Hügelhasser“, wartete oben schon grinsend und entspannt in einem Café auf seinen Tour-Kameraden. Aber wie so häufig – wer zuletzt lacht, lacht am besten – dazu aber später mehr!

 

Gemeinsam erreichten wir dann Dank ebener Strecke gegen 18.30 Uhr den Campingplatz

in Freudenberg. Nach Zeltaufbau und Duschen machten wir uns auf zum Abendessen im  Restaurant auf dem Platz. Nach dem Essen und mehreren Gläser Weißbier – die Anzahl derselben können wir nicht mehr benennen - hatte sich das Lokal geleert. Nur der Wirt, seine hübsche Bedienung und wir beide saßen noch da in einer angenehmen Unterhaltung. Die Weißbiergläser waren wie von Zauberhand immer wieder frisch befüllt.

 

Gegen 1.00 Uhr verschwand der Wirt in der Küche und kam nach kurzer Zeit mit frisch zubereiteten Steaks nebst Beilagen zurück. Ob wir diese kostenlose „Mitternachtsmahlzeit“ aufgrund der netten Unterhaltung mit dem Wirt bekommen haben, oder ob diese zur Neutralisierung unseres Alkoholspiegels dienen sollte, ist uns nicht bekannt.

Auf jeden Fall wurden, nachdem wir die Lokalität nach 2.00 Uhr verlassen und uns auf die Suche nach unseren Zelten gemacht hatten, wohl einige der Campinggäste in ihrer Nachtruhe gestört. Hierfür bitten wir nachträglich um Entschuldigung! Tagesetappe: 96 km, getrunkene Liter Weißbier: ????

 

Donnerstag, 19. Mai, 10:00 Uhr

 

Der Herrgott hatte nach unserem Trinkgelage bis in die Morgenstunden Einsicht und schickte uns zur geplanten Abfahrzeit  kräftigen Regen, sodass wir den Aufbruch guten Gewissens nach spartanischem Frühstück mit klarem, kalten Wasser und Aspirin bis 10:00 Uhr hinauszögern konnten.

 

Nach dem zweiten Frühstück - was wohl eher schon ein frühes Mittagessen war, als wir wieder fähig waren, feste Nahrung zu uns zu nehmen - fuhren wir ohne besondere Vorkommnisse über Miltenberg, Aschaffenburg und Hanau auf den Campingplatz in Steinheim a. Main. Brav lagen wir an diesem Abend bereits um 21.00 Uhr in unseren Schlafsäcken! Tagesetappe: 88 km

 

Freitag, 20. Mai, 8:00 Uhr

 

Weiter ging es am Main entlang Richtung Offenbach. Der Radweg war schlecht ausgeschildert. Bei der Durchfahrt einer Schrebergartenanlage fragten wir ein Ehepaar in einer Gartenlaube nach dem Weg. Als Antwort bekamen wir zunächst zu hören: „Wollt ihr nicht erst mal einen Kaffee trinken?“ Dankbar nahmen wir die Einladung an.

 

Kaum saßen wir am Gartentisch, kam die Frage, ob wir denn überhaupt schon gefrühstückt hätten. Wir antworteten wahrheitsgemäß mit nein. Und dann wurde aufgefahren: frische Semmeln, Wurst, Käse, Marmelade... einfach alles, was das Radlerherz begehrt!

 

So gestärkt konnten wir, nachdem wir uns herzlichst für das leckere Frühstück bedankt hatten, jede Gegenleistung dafür entrüstet abgelehnt und uns der weitere Weg beschrieben worden war, beschwingt unsere Fahrt über Offenbach und Frankfurt zur Mainmündung in den Rhein fortsetzen. Ankunft am Campingplatz „Brückenschänke“ in Eltville-Hattersheim um 18.00 Uhr. Tagesetappe: 87,5 km

 

Samstag, 21.Mai, 8:45 Uhr

 

Abfahrt nach dem Frühstück in einem Café. Nach 3 km Übersetzen mit der Rheinfähre nach Ingelheim. Weiter ging es über Bingen und Bacharach sowie vorbei an der Loreley nach Koblenz. Kurze Rast und Fotos schießen am Deutschen Eck. Endziel für den Tag war eine Pension in Andernach. Aber unser Quartier war leider nur über eine sehr steile, 1,5 km lange Auffahrt zu erreichen...

 

Nun war mit je 25 kg Gepäck wieder Schieben angesagt. Kaum hatten wir diesen Anstieg bewältigt, sahen wir, dass wir um zum Haus zu gelangen noch einen ca. 100 m langen Treppenaufgang zu bewältigen hatten. Zu unserer Erleichterung hatte aber der Besitzer einen Lastenaufzug angebaut, über welchen wir unser schweres Gepäck nach oben befördern konnten und somit nur uns selbst die Treppen noch oben schleppen mussten.

Tagesetappe: 110 km

 

Sonntag, 22. Mai, 9:00 Uhr

 

Abfahrt nach üppigem Frühstück. Auf der Fahrt nach Köln „verabschiedete“ sich die nächste Speiche  an Döllingers Hinterrad. Klasse, Sonntag!!! Es blieb uns nichts anderes übrig, als mit einem „8er“ vom Feinsten vorsichtig weiter zu fahren. Kurz vor Köln setzte dann auch noch zu allem Überfluss Dauerregen ein, der uns bis zu unserer Ankunft um 18:30 Uhr auf dem Campingplatz begleitete und die ganze Nacht anhielt. Ein Tag zum Vergessen!!!! Tagesetappe: 92,5 km

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Montag, 23. Mai, 8:00 Uhr

 

Abfahrt nach Dormagen.... Döllinger hunrig zum Fahrradhändler, Schossig zum lecker

frühstücken in ein Café! Und hier sind wir wieder bei „Wer zuletzt lacht...“! Selber schuld, wenn man mit seinem altersschwachen Fahrrad über gesperrte „Buckelpisten“

fährt, anstatt den leicht ansteigenden vorgeschriebenen Fahrradweg zu benutzen, oder?

Um nicht noch einmal auf sein heißgeliebtes Frühstück verzichten zu müssen, reifte in

Döllinger nun endlich die Erkenntnis, das alte, x-mal vorgeschädigte Hinterrad gegen ein neues zu dem immensen Preis von 50,00 Euro zu tauschen.

 

Weiter ging’s um 10:00 Uhr über Neuss nach Meerbusch zum Mittagessen. Unser Nachtlager, die Jugendherberge in Duisburg-Wedau (diese ist übrigens wirklich auf 4*-Niveau) direkt am MSV-Stadion, erreichten wir nach der Fahrt über Uerdingen, ein Stadtteil von Krefeld, um 18:30 Uhr. Das dortige Abendessen war lecker und üppig, da wir als letzte Essensgäste immer wieder zum Nachfassen „genötigt“ wurden. Naja, wer´s glaubt...! Tagesetappe: 75,5 km

 

Dienstag, 24. Mai, 8:30 Uhr

 

Wir fuhren über Duisburg und Dinslaken nach Wesel, wo wir eine Mittagspause einlegten. Anschließend Weiterfahrt nach Rees, wo wir vor einer Bäckerei mit Café unsere Fahrräder vor dem Schaufenster, von innen gut sichtbar für uns, auf dem Gehsteig „parkten“.

 

Kaum hatten wir das Café betreten, wurden wir von einer Gruppe älterer Damen, vermutlich alles Polizistenwitwen die dort ihr Kaffee-Kränzchen abhielten, energisch mit folgenden Worten auf das „Falschparken“ unserer Fahrräder hingewiesen: „Da am Gehsteig können Sie Ihre Fahrräder auf keinen Fall stehen lassen. Hier kommen ständig ältere Personen mit Ihren Rollatoren entlang, die kommen doch da nicht vorbei, so geht’s wirklich nicht!!“

 

Wir antworteten: „Da haben Sie vollkommen Recht. Sobald wir sehen, dass unsere Fahrräder den Gehweg für einen ankommenden Rollator blockieren, sprinten wir nach draußen und machen den Weg frei, so wie es sich nicht nur für Mitarbeiter der Raiffeisenbank gehört!“

 

Aber das „Gesodere“ ging weiter, bis wir mit lauter Stimme unsere Bestellung aufgaben:

„Bringen Sie uns doch bitte zweimal Kaffee und zwei Stück Mohnkuchen, wir müssen uns jetzt kurz vor Ankunft in Amsterdam langsam an die Drogen gewöhnen!“

Schnappatmung am Nebentisch!!

 

Wir mussten anschließend Kaffee und Kuchen unter bösen Blicken genießen. Bei unserem Aufbruch wollten wir uns natürlich - da wir ja Kinderstube genossen haben - höflichst bei den „Polizistenwitwen“ verabschieden und taten dies mit folgenden

Worten: „Meine Damen, es tut uns ja sehr leid, aber länger können wir nun wirklich nicht mehr warten bis ein Rollator vorbeikommt, wir haben schließlich gleich einen Termin in

Emmerich, um dort den Gehsteig zu blockieren! Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Mal“! Man hätte eine Stecknadel fallen hören können!

 

Über Emmerich und Zevenar fuhren wir weiter nach Arnheim auf einen Campingplatz zum Übernachten. Tagesetappe: 124 km.

 

Mittwoch, 25. Mai, 8:45 Uhr

 

Wir starteten in Richtung Ede. Nach 10 km auf einem Radweg neben der Schnellstraße kam der Schutzengel, der uns schon bei den Touren nach Paris und Rom begleitet hatte, wieder zum Einsatz. Wahrscheinlich war Döllinger bei einer Berg-Abfahrt einfach einen Moment  unaufmerksam und kam von der erhöhten Teerdecke aufs Bankett. Durch reflexartiges Bremsen und Gegenlenken kam es bei hoher Geschwindigkeit zum kapitalen Sturz mit heftigstem Aufschlagen des Kopfes und der rechten Schulter! Erster Gedanke: ein böses Ende der Fahrradtour?

 

Doch auch bei dieser Tour wieder Glück im Unglück!!! Dank des angesprochenen Schutzengels kein Bruch des Helmes, keine Kopfverletzungen und auch die Frisur saß ohne Drei-Wetter-Taft (was bei dem „breiten Scheitel“ nicht verwunderlich war!) Spaß beiseite: Wir dürfen heute noch nicht daran denken, was hätte passieren können!

 

Trotz starker Prellungen und Hautabschürfungen ging es weiter Richtung Amsterdam, wo wir um 19:30 Uhr auf dem Campingplatz Zeeburg ankamen. Dort Zelte über Zelte und -Entschuldigung für die Ausdrucksweise - Entenscheiße über Entenscheiße! Diese musste von uns erst zur Seite geräumt werden, um unsere Zelte nicht quasi auf einem Misthaufen aufbauen zu müssen! Tagesetappe: 95 km.

Donnerstag, 26. Mai

 

Am frühen Morgen aufwachen durch gefühltes 10 cm vom Ohr entferntes „Quak, Quak, Quak“... Die „Scheißer“ ersetzen jeden Wecker, echt! Nach dem Frühstück Fahrt zum Amsterdamer Zentral-Bahnhof zur Gepäckaufbewahrung. Anschließend ausgiebige Stadtrundfahrt mit den Rädern. Es ist einfach herrlich, in Holland Rad zu fahren. Vorfahrt überall, rücksichtsvolle freundliche Autofahrer und breite Fahrradwege - breit wie Autobahnen... Naja, das war jetzt leicht übertrieben. Um 19.00 Rückfahrt zum Bahnhof und Heimfahrt im Liegewagen.

 

Und es wäre doch gelacht gewesen, wenn wir beiden Rentner zum Abschluss der Tour für unsere Anstrengungen nicht noch ein besonderes Zuckerl erhalten hätten: Wir durften uns das Liegeabteil mit zwei zuckersüßen ca. 20-jährigen, langbeinigen, langhaarigen blonden Meisjes teilen... Schön, aber das hätte uns schon 30 Jahre früher passieren müssen... *seufzzzzzzzzz

Festwochenende für Hammersee und Weißbier
Reinhard Rothkoegel aus Kastl vermisst