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Als sich die Pforten der BBI schlossen

Von Hans-Peter Weiß

Wackersdorf/Steinberg am See. Ohne großes Aufsehen ging am 30. September 1982 eine Ära zu Ende. Die Bayerische Braunkohlen Industrie AG (BBI)hatte ihre Tore für immer geschlossen. Sie legte den Grundstein für eine überaus positive wirtschaftliche Entwicklung der früher ärmlichen Gemeinden Wackersdorf und Steinberg. Rund 180 Millionen Tonnen Kohle wurden hier gefördert.

40 Jahre soll das schon her sein, denkt sich wohl so manch noch verbliebener BBI'ler in diesen Tagen und blickt vielleicht wehmütig zurück an den 30. September1982 als die BBI zur Geschichte wurde. „Der denkwürdige Tag vollzog sich ziemlich sang- und klanglos", erinnert sich der mittlerweile 94-jährige Josef Weiß. Der gebürtige Steinberger, zuletzt in der Lohnbuchhaltung beschäftigt, hatte am späten Nachmittag als Letzter das Verwaltungsgebäude verlassen und die Tür verschlossen. Glatte 40 Jahre ist das her.

Drehen wir das Rad der Geschichte zurück: Alles begann mit einem Zufall. Andreas Schuster förderte im Jahr 1800 beim Brunnenbau vor seinem Haus schwärzliche Erde zu Tage. Er war auf Braunkohle gestoßen. Drei Jahre später gründeten der Pfarrer und 13 Mitgewerker die erste Gewerkschaft. 1807 ordnete das Königliche Bergamt die Ausbeutung der Kohlenlager an. Mühsam wurde die Kohle mit einfachsten Gerätschaften anfangs unter Tage gewonnen. Wegen Absatzmangel und Unrentabilität des Untertagebergbaus wurde der Betrieb 1845 eingestellt. 1904 wurde die Bayerische Braunkohlen- und Brikett-Industrie Gewerkschaft Klardorf gegründet. Der Beschluss für das Tagebauverfahren fiel. Am 5. Februar 1906 wurde die Gewerkschaft in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.

Die Geburtsstunde der BBI hatte geschlagen. Mittlerweile standen 135 Arbeiter und 13 Angestellte auf der Lohnliste. Es wurde eine Brikettfabrik und ein Restaurationsgebäude errichtet. Im Gründungsjahr wurden 2300 Tonnen Kohl gefördert, die über eine Kettenbahnbrücke zur Fabrik transportiert wurden. Mit einer acht Mann starken Knappenkapelle wurde das erste Barbarafest gefeiert. 1908 gründete sich auch der Katholische Knappenverein unter dem Vorsitz von Anton Bauer. Er war der erste Grubenaufseher der jungen BBI, der später auch als „Berggeist" in die Geschichte einging. 1911 lieferte die BBI erstmals elektrisches Licht für das Bergarbeiterdorf. Die stetige Aufwärtsentwicklung wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges gebremst. Zu jener Zeit kostete der Zentner Brikett 65 Pfennige.

In den Nachkriegsjahren wurde die BBI zu einem bedeutenden Kohleproduzenten. 1922 gingen bereits 1150 Mitarbeiter ihrer Arbeit nach. 1928 wurde die BBI eine Tochtergesellschaft der Bayernwerk AG, die ein Jahr später den Grundstein für das Kraftwerk Dachelhofen legte. Das Kraftwerk „Else" verstromte ab 1930 die Wackersdorfer Kohle. Nach den Jahren der Weltwirtschaftskrise war die Braunkohle wieder gefragt, ja nach dem Zweiten Weltkrieg sogar heiß begehrt. 1946 erreichte die Kohleförderung1 Million Tonnen pro Jahr. Am 16. März 1948 begann im „Nordfeld" die Kohlegewinnung im Handbetrieb mit Schurren. Hier wurden im Sommer 1950 die ersten Häuser von Alt-Wackersdorf abgebrochen. Mit der Entwicklung der Förderband-Technik wurde die BBI weltweit führend. Rund 30 Kilometer Bandstraßen liefen kreuz und quer über das Braunkohlen-Areal. Der erste Schaufelradbagger kam 1950 zum Einsatz. Fünf weitere diese Großgeräte, die sich durch die Oberpfälzer Erde wühlen, folgten. Der letzte seiner Art, der SRB 6 wurde 1962 in Dienstgestellte Bagger, förderte täglich 18600 Kubikmeter des begehrlichen Rohstoffes. Am Ende ereilte sie alle das gleiche Schicksal, sie wurden verschrottet.

Schon Ende der 1970er Jahre hatte sich das Ende der BBI abgezeichnet. Ende 1980 waren schon fast 20 Prozent der Belegschaft ausgeschieden. In der Blütezeit waren es um die 1500 Beschäftigte. Exakt zwei Jahre vor der Liquidation der BBI standen noch 748 Arbeiter, 172 Angestellte und 41 Auszubildende unter Vertrag. Ihnen galt die größte Sorge des BBI-Vorstandes, der sich auch um Nachfolgebetriebe bemühte. Es siedelten sich zwar eine Reihe von kleineren und mittleren Betrieben an, der große Wurf gelang aber nicht. Was ist geblieben von der BBI? Zweifellos kann man sagen, dass die BBI die Gemeinden Wackersdorf und Steinberg auf solide Beine gestellt hat. Wirtschaftlich haben sich die beiden Kommunen prächtig entwickelt. 

Am südlichen Ortseingang von Wackersdorf grüßt den Besucher ein riesiger Gedenkstein und ein Schwungrad aus einer Brikettfabrik. Gleich daneben führt der Weg zum Geotop Nr. 99, wo man einen Blick auf ein Kohleflöz werfen kann. Hier eröffnet sich auch ein weitläufiger Blick auf das Westfeld, das kurz vor dem Abschluss einer jahrelangen Sanierung steht. Im südlichen Bereich des weitläufigen Areals stand bis zuletzt der Bandabsetzer BA 8. Trotz Bemühungen den Stahlgiganten der Nachwelt zu erhalten, wurde auch dieser gesprengt und der Schrottpresse zugeführt. Als touristische Attraktion, in dem heute gähnend leeren Westfeld, konnte sich der damalige Gemeinderat unter Bürgermeister Alfred Jäger diesen nicht vorstellen. Sie wollten dem Großgerätkeine Zukunft geben. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch das BBI-Gemeinschaftshaus, trotz Fürsprache des Knappenvereins, der bis dato die Fahne noch hoch hält. Heute herrscht hier ein leerer Platz vor. Das benachbarte Verwaltungsgebäude und umliegende Immobilien der BBI wurden der Gemeinde angeboten, die aber ablehnte. Lediglich im Hinterhof der traditionsreichen Verwaltung befindet sich das Industrie- und Heimatmuseum. 

Etwas nördlich befindet sich ein Naherholungsgebiet mit dem Wackersdorfer Weiher. Nach der Auskohlung wurde das „Nordfeld" wieder verkippt und aufgeforstet. Der Erholungssuchende findet hier im südlichen Bereich, wo das alte Wackersdorf stand, einen Gedenkstein vor, der an die Umsiedelung von Alt-Wackersdorf erinnert. Auf den wieder mit Abraum verfüllten Gruben wurden Millionen von Baumsetzlingen gepflanzt. Mittlerweile sind stattliche Wälder entstanden. Großen Wert legen die Verantwortlichen auf die Rekultivierung der ausgekohlten und mit Abraum aufgefüllten Flächen. 1968 erhielt die BBI beim Bundeswettbewerb „Industrie in der Landschaft" für beispielhafte Leistungen die einzige nach Bayern vergebene Goldmedaille.

Ein Lehrpfad, der am Knappensee und am Steinberger See vorbeiführt, verbindet das Wackersdorfer Industriemuseum mit dem Braunkohlemuseum drüben in Steinberg. Hier im einzigen Braunkohlemuseum Süddeutschlands, wie auch auf Wackersdorfer Seite, wird die Geschichte der BBI wieder lebendig. Hier beginnen auch die alljährlichen Berggeist-Wanderungen, die an die traditionsreiche BBI-Ära erinnern sollen. Gäste starten hier eine informative Begehung durch den „Tertiärwald" mit seinen Relikten aus längst vergangenen Zeiten in Richtung des größten Oberpfälzer Sees. Hier in den südlichen Tagebaufeldern wie auch im Revier Rauberweiherhaus wurde einst das „braune Gold" zu Tage gefördert. Insgesamt waren es an die 180 Millionen Tonnen. Die weitläufigen Gruben füllten sich mit Wasser und ließen herrliche Seen entstehen, die jedes Jahr von zahlreichen Menschen aus Nah und Fern aufgesucht werden. So manchem fremden Badegast dürfte wohl kaum bewusst sein, dass hier einmal die BBI, einer der größten Braunkohleproduzenten Deutschlands, Kohle abbaute. Glück Auf.

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Über 40 Meter tief gruben sich die Bagger in die Erde.
Viel Handarbeit war in den frühen Jahren des Kohleabbaus gefragt.
Das Ende der Stahlgiganten. Kein einziger Bagger wurde erhalten.
Über 18 000 Kubikmeter Kohle entriss das Schaufelrad der Erde.
Der Bandabsetzer BA 8 hätte ein Touristenmagnet werden können.
Saisonbedingter Anstieg der Arbeitslosigkeit
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